Zu den widerlichen Ereignissen von Köln ist inzwischen das
meiste gesagt worden. Nur eine einzige Bemerkung sei erlaubt, bevor ich den
größeren Bogen spanne: Wirklich überraschend war das nicht. Diese immer nach
ähnlichem Muster zusammengesetzte und dann auch vorgehende Gruppe asozialer Gewalttäter
gibt es schon lange. Nur haben die Medien das nie wirklich zum Thema gemacht
und damit komme ich zum Kern meiner Ausführungen, nämlich einer kleinen
Hitparade der Schande: Den beiden großen Versagern des Jahres 2015. Die sind nicht
nur für grandioses Scheitern verantwortlich, sondern auch für eine regelrechte
Zeitenwende: Die totale Entfremdung vom politisch-medialen System.
Platz 2: Die Politik - willkommen im Ein-Parteien-Parlament
Auch wenn sie kommunikativ ständig verdroschen werden - und das vollkommen zu Recht -, haben sie sich den Platz auf dem Thron nicht verdient. Dennoch war es eine reife Leistung, was unsere Polit-Riege im letzten Jahr geschafft hat: Eine in puncto Vertrauen ohnehin erodierende Situation noch einmal drastisch zu verschlechtern. Ein Wortbruch jagt den nächsten, von der Maut über die Transferunion bis hin zur Einwanderungspolitik haben Handelnde wie die Kanzlerin ihre eigenen, öffentlich gemachten Versprechen glatt gebrochen. Wo deutsche Politik früher dröge, bürokratisch und kompliziert war, konnte sie doch meist als eines gelten: Als verlässlich. Ärmelschoner verhießen zumindest Seriosität.
Während aus den Reihen der deutschen und EU-Politik Ländern wie
Ungarn oder Polen Ratschläge erteilt werden, agieren unsere
Regierenden inzwischen wie selbstherrliche Monarchen. Eine in der Bevölkerung krass abgelehnte
Einwanderungspolitik wird nicht nur nicht korrigiert, sondern das Grundprinzip
beibehalten. Was das Gefühl der Ohnmacht vieler Menschen steigert, ist das
Fehlen jeglicher politischer Opposition: Es hat schon
etwas Bizarres, dass die Kanzlerin aktuell bei den Oppositionsparteien wie den
Grünen beliebter zu sein scheint als in den eigenen Reihen - aus denen niemand
ernsthaft einen Diskurs anstößt. Um das Lange kurz zu machen: Die Politik
regiert wie ein amorphes Ein-Parteien-Gebilde, viele Menschen finden im
Parlament keinerlei Projektionsfläche mehr für ihre Auffassungen.
Platz 1: Die klassischen Medien - willkommen in der
Selbstzensur
Was bleibt einem von der Politik Entfremdeten übrig? Früher die Hinwendung zu den Medien als quasi vierte Gewalt im Staat. Wer erinnert sich nicht
an die Schlachten, die SPIEGEL, Stern oder die BILD früher schlugen? Manchmal
unsachlich, oft agitatorisch, aber meist mit klarer Kante und sehr
unterschiedlichen Standpunkten. Echter Diskurs eben, der die Republik bewegte.
Und heute? Selbstzensur auf ganzer Strecke. Welch
merkwürdiges Berufsethos hat inzwischen in die Redaktionen Einzug gehalten. Zugegeben,
der deutsche Journalist war im Gegensatz zum angelsächsischen schon immer davon
beseelt, seine Leser zum besseren Menschen zu erziehen und zu belehren, aber
die Pluralität der Standpunkte gab immerhin die Möglichkeiten, diese mit den
eigenen abzugleichen. Inzwischen macht es kaum noch einen Unterschied, zu
welchem Medium man greift, die Sprachregelungen ähneln sich: Parteien außerhalb
des Parlaments erhalten entsprechende Attribute wie "ultra",
"rechts", "neo" oder "populistisch", um sie schon
vor dem eigentlichen Denkprozess einer Meldung zu desavouieren.
Reale Probleme
vieler Menschen, die den medial-politischen Konsens einer "bunten
Gesellschaft" aufkündigen könnten, werden totgeschwiegen oder relativiert.
Dem allergrößten Teil der Redakteure scheint vor allem eins im Nacken zu sitzen: Die Angst
vor imaginären braunen Horden, die schon morgen durch die Republik stiefeln
könnten. Selbst brave Bürger, die nichts anderes tun, als demokratische Rechte
wahrzunehmen und ihre Ängste auf der Straße zu artikulieren, werden
entsprechend anmoderiert und vor Mikrofonen lächerlich gemacht, nach dem Motto: "Schaut Euch die tumben Deppen an, höhö."
Der fatale Eindruck, den viele Medien damit erwecken: Sie
seien im Bunde mit den Mächtigen. Ob das nun bewusst geschieht oder eher aus
eigener Weltanschauung heraus, ist am Ende sekundär - viele Medien haben ihre
Rolle als glaubwürdige Kontrollfunktion verloren.
Haben sie daraus irgendetwas gelernt? Mein bisheriger
Eindruck: Keineswegs. Stattdessen weinerliche Berichte über
"Lügenpresse" Vorwürfe. Selbstkritik: Fehlanzeige - da marschieren
Politik und Medien eingehakt im Gleichschritt.
Der europäische Frühling kommt von unten
Das Ying Fazit: Die Entfremdung von Politik und Medien
beschleunigt sich - am Gipfel ist sie noch nicht angekommen. Der ist für die
Politik dann erreicht, wenn die Wahlergebnisse endgültig kippen wie in unseren
Nachbarländern. Erst wenn die Jobs auch bei der Basis flöten gehen, wackeln die
Stühle der Regierenden.
Das Yang Fazit: Das Sterben der klassischen Medien hat
begonnen. Gut so! Wir sind bereits erwachsen und benötigen keine Erziehung qua
Medien, keine oberste Instanz, die entscheidet, welche gefilterten Nachrichten
wir erhalten dürfen und welche nicht, keine Morgenmagazine, Nachrichtenportale oder große
Zeitungen, die uns ihre immer gleiche Meinungssicht der Dinge mitteilen - unsere Gesellschaft braucht
aktuelle Medien, die gerne auch polarisieren dürfen, aber uns nichts
vorenthalten oder mit einem seltsamen "Neusprech" bedienen, sondern auf Information setzen.
Die Entfremdung von den Institutionen ist ein schmerzhafter,
am Ende aber vielleicht genau der notwendige Prozess, um nach einer Phase der
Turbulenz und Neubesinnung wieder zu den Ursprüngen zurückzukehren: Einer Demokratie,
die den Namen verdient und einer Medienlandschaft, die wahrhaft plural ist.
Mit den derzeit Handelnden wird das nicht gehen.
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