Freitag, 15. Januar 2016

Das EU-Politbüro und der widerspenstige Osten



EU-Größen wie der charismatische Kommissar Oettinger und eine Zillion deutscher Chefredakteure nehmen sich seit Monaten die Ungarn und Polen öffentlichkeitswirksam zur Brust. Nicht nur deren Regierungen, sondern auch deren "falsch" wählenden Bevölkerungen.

Natürlich sind Sie, werter Leser, geschichtlich gebildet, aber zur kurzen Erinnerung, wovon wir sprechen, schauen wir uns zwei, drei historische Fakten an:

Da weht er, der Mantel der Geschichte
Im Zweiten Weltkrieg marschierte die Wehrmacht zuerst gen Osten, in Kooperation mit Stalin, mit dem man sich die kleinen Länder aufteilen wollte. Teile dieser "Allianz" sind in gewisser Weise bis heute erhalten geblieben, wie man bei vielen medialen Diskussionen wie jüngst der Ukrainekrise erleben kann, in denen man sich auf dem Rücken der Osteuropäer mit Putin verständigen möchte. Nur den russischen Bär nicht vergrätzen! Polen, Ukraine, Baltikum - Verhandlungsmasse.

Polen hat es als besonders widerborstiger Gegner der Sowjets und später der Russen geschafft, sich früh zu emanzipieren, siehe die Solidarnosc-Regierung. Sie haben sich die Demokratie - im Gegensatz zu uns im Westen - hart erkämpft.

Die Ungarn waren sogar noch früher dran mit ihrem Wunsch nach Freiheit und konnten 1956 durch einen blutigen Einmarsch der Sowjets wieder auf Linie bringen lassen. Mehr als 30 Jahre später hatten wir bzw. die DDR-Bürger den Ungarn viel zu verdanken. Erst deren offene Grenzpolitik machte es möglich, dass später auch die innerdeutsche Grenze fiel.

Wer nicht hören will, bekommt den Oettinger
Wenn sich nun ausgerechnet ein deutscher EU-Kommissar wie Herr Oettinger nicht entblödet, Polen eine Fremdregierung anzudrohen, lässt das nicht nur auf seine geschichtliche und kulturelle Sensibilität schließen, es spricht auch in der Sache Hohn.

Was werfen unsere Politik und Medien in seltsamem Gleichklang Dingen Ungarn, Polen und anderen Ostländern vor? Dass sie konservativ gewählt haben. Dass sie primär eigene, nationale Interessen berücksichtigen. Dass die Wahlsieger ihre politischen Auffassungen in Justiz und öffentlich-rechtlichen Medien wiederfinden wollen.

Ausgerechnet wir werfen das diesen und anderen Ost-Ländern vor? Haben Sie das Gefühl, dass unsere Medien schonungslos alles berichten, was die Gesellschaft bewegt?

Besser die Bangkok News lesen
Nein, ich glaube nicht wie die irren Aluhutträger an irgendwelche Direktiven aus dem Kanzleramt. Eher an das schlimmere Szenario! Die servile Berichterstattung geschieht ganz freiwillig. Inzwischen spricht die halbe Welt darüber, wie sehr bei uns alles unter den Teppich gekehrt wird, was den kulturellen Frieden im Wattebäuschchen gefährden könnte. Nur ein Beispiel: Köln - und damit meine ich nicht die widerwärtigen Vorfälle gegen die Frauen, über die nach immerhin bereits vier Tagen berichtet wurde. Sondern ich meine die Tatsache, dass der Kölner Dom stundenlang mit Raketen beschossen wurde, das Bauwerk, das wie kein zweites in Deutschland als Symbol für die christliche Kirche gilt.

Bis nach Thailand konnte man in der dortigen Presse Unverständnis darüber lesen, wie respektlos hier eines unserer wichtigsten, religiösen Symbole behandelt und wie wenig sich darüber aufgeregt wurde. Hand aufs Herz: Haben Sie dazu auch nur einen einzigen Beitrag im TV oder in größeren Printmedien gesehen? Noch eine Hand drauf: Wie hätte wohl die Berichterstattung ausgesehen, wenn Rechtsextreme stundenlang eine Moschee oder Synagoge mit Raketen beschossen hätten?

Unsere Politiker und Medien sollten den Ball gegenüber Osteuropa ganz flach halten. Ein Land, in dem es seit Jahren keine nennenswerte Opposition, keinen offenen Diskurs über Grundsatzfragen, keinerlei Volksabstimmungen über existenzielle Themen, keine wirklich plurale, hart über die Realität berichtende Medienlandschaft gibt - so ein Land sollte es sich verdammtnochmal verkneifen, anderen Nachhilfe in Demokratie und Meinungsfreiheit zu erteilen. Habe fertig!

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