Mittwoch, 19. November 2014

ARD, ZDF und ein unangenehmer Würgreiz

Ja, ja, die Überschrift ist plakativ und kommt typisch Social Media-mäßig daher, immer das große Kaliber. Mea culpa! Aber in diesem Fall mache ich mildernde Umstände geltend, denn während ich diese Worte schrieb, zog ich mir ein Reisigbüschel über den nackten Rücken. Selbstgeißelung à la Stenzo, denn ich bekenne mich schuldig.

Als junger Hansdampf-in-allen-Gassen las ich weg, was mir vor die Nase kam. SPIEGEL, Stern und eine Tageszeitung. Ebenso befiel mich die Krankheit, jede mögliche Nachrichtensendung konsumieren zu müssen und darüber hinaus allerhand Journalistisches vom Auslandsjournal bis zum Weltspiegel. Inzwischen befallen mich Juckreiz und geballte Fäuste, wenn ich die einstmals geliebten und damals auch seriösen Formate konsumiere.

Hat sich meine Rezeption verändert oder der Inhalt der Nachrichten? Ganz ehrlich, ich weiß es nicht. Vielleicht war ich früher unkritischer oder das, was sich beispielsweise in der tagesschau abspielte, war tatsächlich aus gusseisernem Journalismus geboren, nach dem Friedrich'schen Motto, sich nie mit einer Sache gemein zu machen. Ich neige zu letzterem.

Wenn ich mir die aktuelle Berichterstattung beispielsweise zu den Geschehnissen in Israel anschaue, befällt mich blanke Wut. Der ARD-Korrespondent scheint seine Moderationstexte direkt aus der Fatah-Zentrale zu erhalten. Rund um einen feigen, terroristischen Mordanschlag in einem Gotteshaus textet er unverdrossen von einem "ultra"orthodoxen Viertel, erwähnt mehrfach "ultra"rechte Siedler und verbreitet immer schön den Subtext, dass doch irgendwie die Israelis mitschuldig wären, warum umgeben sie sich auch mit Extremisten? Zum Schluss scheint er fast den Tränen nah, als er von der Zerstörung des Hauses berichtet, das der Familie eines Attentäters gehörte. Im ZDF kommt am selben Abend ausführlich vor allem die Familie der Attentäter zu Wort und hat auch letzteres im Beitrag. Alle Reporter und Moderatoren warnen nicht nur ständig vor der Eskalation, sondern vergessen nie, von gleichermaßen "beiden Seiten" zu sprechen, eine Analogie, die immer wieder auftaucht.

Die Logik am Ende des Tages: Wenn zwei palästinensische Cousins jüdische Betende in einer Synagoge abschlachten, wenn ein Fahrer ein Baby an einer Bushaltestelle mit seinem Auto tötet - dann gehört das irgendwie zum selben Spiel wie die israelische Seite, die sich erdreistet, Siedlungen zu bauen, denn mehr als dieses Argument lässt sich in den meisten Texten kaum finden.

Was wohl die geneigten Redakteure bei einheimischen Terroristen, z.B. denen der NSU oder früher der RAF oder heute irgendwelcher Salafisten in Deutschland texten würden? Hätten wir es da auch mit gleichermaßen zwei Seiten zu tun, die doch bitte nicht weiter eskalieren sollten? Könntet Ihr bitte etwas weniger Ausländer töten, dann setzen wir uns auch an einen Tisch?

Aus purer Gewohnheit, wie ein Trinker, der es nicht lassen kann, sehe ich mir tagesschau & Co noch an. Aber nicht mehr so regelmäßig wie früher. Und ich weine diesen einseitigen, unjournalistischen Medien nur eine sentimentale Träne der Vergangenheit nach, wenn das Internet sie irgendwann verschlingt. Wer sich so gemein mit dem Trend des Anti-amerikanismus und das allgemeinen Anti-Israel Gefühls macht, der soll eben irgendwann nur noch für 70jährige senden.

Montag, 10. November 2014

Der Ausflug



Schnellen Schrittes stiefelte ich nach hinten in die Molkereiabteilung und griff beiläufig irgendeine möglichst hochprozentige Milch. Die kostete gefühlt so viel wie ich normalerweise für eine Mittagsmahlzeit ausgebe, aber dieses Opfer muss man in einem Bioladen einfach bringen. Dafür wurde die Milch bestimmt persönlich von einer glücklichen Kuh gezapft, mit schwiemeligen Händen des Bauers, in dessen Mundwinkel eine Maispfeife klemmt.

Natürlich lief keine Musik, schließlich soll diese manipulative Beschallung eine Wohlfühlatmosphäre vermitteln und zum Konsum anregen. Stattdessen nur leise Geräusche schlurfender Birkenstöcke. Ich gebe es zu, ich habe einen Schuhtick. Sag mir, worin Du läufst und ich sage Dir, wer Du bist. Hier im Bioladen gabs eigentlich nur zwei Varianten: Entweder den nicht tot zu kriegenden, besagten Birkenstock oder den strapazierfähigen Trekkingschuh, natürlich in Kombination mit Jack Wolfskin Jacken und Rucksäcken, vor allem aber Jutebeuteln. Warum sind in einer Großstadt zahlreiche Menschen so angezogen, als wollten sie morgen die Wüste Gobi durchqueren und dabei jedem Wetter trotzen?

Als ich bezahlte, zog ich eine sehr zerknautschte aldi-Plastiktüte aus meiner Hosentasche und verstaute die Milch darin. Für einen Moment schien die Welt stillzustehen. Niemand redete, fünf bis sechs Augenpaare der Sorte Deutschlehrer, Pilates-Anwenderin und unverstandener Alleinerziehenden richteten sich nur auf mich. Das Geraschel des Plastiks identifizierte mich eindeutig als Unmensch, für dessen Luxus Kinder in Südostasien schuften müssen, anstatt in die Schule gehen und später Windräder bauen zu können.

Ich verließ den Laden mit hohem Puls und kam mir vor wie nach dem ersten Bordellbesuch, wenn nur ein Gedanke den Kerl beherrscht: Hoffentlich hat mich keiner gesehen!

Das war gestern.

Heute kaufte ich bei aldi ein. Unter all den Proleten in ihren Jogginghosen, den schnellsten Kassiererinnen der Welt und dem gewohnt rustikalen Ambiente fühlte ich mich wohl wie ein Lachs in Alaska. Trotz eines Kleineinkaufs erwarb ich zwei Plastiktüten. Man muss gerüstet bleiben.