Samstag, 23. November 2013

Der Ärmste leidet unter Zynismus



"Die stecken doch alle unter einer Decke!… Ich habs immer gewusst, der war nur ein Lobbyist. Traurig!… Wer wird die Menschheit schon vermissen, wir rotten uns selbst aus und das ist auch gut so… Haha, Obama, wenn ich den schon höre - auch nur eine Marionette der Waffenindustrie und Bilderberger!!!!!...Indien? Hör bloß auf, schau dir mal an, wie die ihre Unberührbaren behandeln oder die Frauen!?"

Wer kennt sie nicht? Die Verschwörungstheoretiker und Zyniker. In den guten, alten Zeiten tippten sie sich die Finger wund, um der Lokalzeitung ihre Weltsicht mitzuteilen, allen zu erzählen, was sich in der Schweinebucht wirklich zugetragen hat und dass man Brandt doch bitte rasch entlassen möge, diesen Ostagenten im Kanzleramt. Heute dürfen sie sich im Internet austoben, Gleichgesinnte treffen und raunen, wer Kennedy wirklich erschoss und auf wessen Payroll Osama Bin Laden stand. Beide Male lautet die Antwort natürlich: Der militärisch-industrielle Komplex. Und das weiß der Schreiberling durch seine Recherchen, darf aber nicht zuviel verraten, weil er sonst Besuch bekommt.

Sehen Sie bereits den schwarzen, lautlosen Hubschrauber vor Ihrem Fenster?

Optimismus, Zukunftsfreude, Gestaltungswillen - das ist nicht die Sache der Zyniker. Den Mangel an Positivem gleichen sie durch zwei Dinge aus: Jede Menge Ausrufezeichen und persönliche Beleidigungen, wenn es jemand wagt, das Geschehene schlicht so akzeptieren, wie es die Tatsachen nahelegen.

»Du glaubst die offizielle Version? Du Dummerchen!«

Was steckt hinter der meist latent aggressiven, zynischen Grundhaltung vieler Zeitgenossen? Möglicherweise nicht die Erkenntnis der tatsächlichen Wahrheit, sondern vielleicht genau das Gegenteil, das Bertrand Russell so treffend in Worte gefasst hat:

»Zynismus ist das Ergebnis einer Verbindung von Bequemlichkeit mit Machtlosigkeit.«