In Indien wurden vier der Vergewaltiger jenes berühmt
gewordenen, gewalttätigen Verbrechens mit tragischem Ausgang zum Tode
verurteilt. Die Eltern der Toten forderten dieses Urteil und empfanden
entsprechende Genugtuung.
Wie wären bei uns wohl Kommentare und Berichterstattung
ausgefallen?
Du kannst einen jungen Menschen ins Koma treten, ihm das
Gehirn zu Matsch schlagen, seine Angehörigen ins lebenslange Unglück stürzen,
ihr Dasein von einem Tag auf den nächsten in eine lebende Hölle verwandeln -
und Du wirst auf viele Menschen treffen, die sich Gedanken um Dich machen. Warum
bist Du so geworden? Welchen Anteil hat die Gesellschaft an Deiner Entwicklung?
Wie können wir Dich möglichst fair und sanft bestrafen, um Dich anschließend
wieder in die Gesellschaft zu integrieren?
Aber wehe, Du forderst Rache für die Tat eines brutalen Totschlägers
wie im Fall von Johnny K. Genugtuung. Gerechtigkeit, die dem Täter eine Strafe
auferlegt, die den Folgen seiner Tat entspricht - dann wirst Du erleben, wie
schnell Du zum Barbar gemacht wirst. Zu einem Mensch, der offensichtlich
niedersten Instinken folgt. Abscheu wird Dich treffen.
Woher kommt diese aus den Fugen geratene Moral, die mehr
Verständnis für Täter entwickelt als für Opfer oder ihre Angehörigen? Ich habe
das Gefühl, dass sich Justiz und Politik völlig vom Empfinden vieler Menschen
entfernt haben - aber eines steht für mich fest: Die Täterversteher glänzen vor
allem durch Gefühllosigkeit gegenüber Opfern und ihren Liebsten.
Rache, so viel geschmäht sie bei uns auch wird, ist immerhin
ein authentisches Gefühl, gespeist aus dem himmelschreienden Unrecht einer schweren
Tat und mit dem Fokus, den Täter zur Strecke oder in Haft zu bringen.
Auge um Auge - das wünsche ich mir als Prinzip für Taten,
die sich gegen Menschen richten. Die biblischen Vorväter folgten nicht umsonst
diesem gerechten Prinzip, das sich nicht vorrangig um die Zukunft des Täters
kümmert, sondern vor allem um den inneren Frieden der anderen - Opfer,
Angehörige, Mitleidende.