Freitag, 13. September 2013

Fetisch Gleichheit

Als ich vor Jahren mit einer Wirtschaftsdelegation nach Indien reiste, mussten wir in Bombay vom Flughafen zum Hotel etliche Kilometer mit dem Bus zurücklegen. Viele Unternehmer befanden sich zum ersten Mal in Indien und einige äußerten sich zu den Straßenszenen in dieser pulsierenden Metropole. Äußerten sie sich zu  dem bunten Treiben, dem quirligen Leben dieser Megalopolis? Den vielen Straßenhändlern mit den unterschiedlichsten Produkten, den farbenfrohen Saris der Frauen, den geschickten Handwerkern, die am Bordstein eine Nähmaschine reparierten, den Fahrkünsten der Minitaxis?

Armut war das Thema. DAS fiel natürlich sofort auf. Köpfe wurden geschüttelt, Bedauern geäußert - später auch im Gespräch Indern gegenüber, die nicht ganz begriffen, worum es überhaupt ging. Ähnliches erlebte ich in anderen Ländern von meinen Landsleuten. Bin ich wieder zuhause und berichte ich von Indien, höre ich "Oh je, das Kastenwesen!", erzähle ich vom letzten US-Aufenthalt, werde ich über die mangelnde Krankenversicherung belehrt.
Ich schalte den "Weltspiegel" oder das "Auslandsjournal" im Fernsehen ein: In Ohio wird eine Dame portraitiert, die im Auto schlafen muss. Aus China oder Indien wird nicht etwa über die fleißigen Aufsteiger berichtet, sondern natürlich über die ausgebeuteten Wanderarbeiter.


Woher kommt dieser schon an einen Fetisch grenzenden Glauben an die Gleichheit? Und wir reden hier nicht von gleichen Chancen, wie in den angelsächsischen Ländern, sondern vom möglichst gleichen Ergebnis für alle. Natürlich hält es keine Gesellschaft lange aus, wenn die sozialen Spannungen dauerhaft zu groß sind. Aber wie dynamisch ist eine Gesellschaft, in der Gleichheit eines der obersten Gebote ist?

Wie hoch war die Dynamik in den Gesellschaften der beiden großen Gegenspieler UdSSR und USA in den vergangenen Jahrzehnten? Wessen Filme, Musik, Bücher, wessen Produkte eroberten die Welt, weil die Dynamik immer neue Vielfalt nach oben spülte?

Der Fetisch Gleichheit, der uns auch von der EU jeden Tag gepredigt wird, bringt uns langfristig zu ruhigen Verhältnissen. Aber auch zu Einheitsbrei, weniger Farben und letztlich auch Wohlstandsverlust. Wer nicht mehr aufsteigen muss oder kann, wird sich nicht mehr anstrengen. Fazit: Gleiche Chancen - aber möglichst ungleiche Ergebnisse!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen